Arbeiten unter Tage im Kali-Bergwerk von K+S - DER SPIEGEL

2023-02-28 14:26:01 By : Ms. Cherry Guo

Besuch unter Tage: Im Dunkeln mit Kali-Kumpeln

Metallenes Klappern, das Gitter schließt. Dann wird es dunkel. Es geht abwärts, Zugluft weht um den Helm. In nicht einmal einer Minute fährt der Fahrstuhl in 750 Meter Tiefe. Unten im Bergwerk angekommen offenbart sich eine Stadt: Es gibt Büros, Straßen, Autos, Werkstätten. Nur das Tageslicht fehlt.

Das Gebiet des K+S-Werks Werra im osthessischen Philippsthal liegt bis zu 1200 Meter unter der Erde. "Es ist unter Tage etwa so groß wie der innere Autobahnring um München", sagt Jörg Lohrbach, Assistent des Leiters der Grube Hattorf/Wintershall. Abgebaut wird unter anderem Kalium, neben Stickstoff und Phosphor einer der wichtigsten Nährstoffe zur Düngung von Pflanzen.

"Was wir hier abbauen, ist wichtig für die ganze Welt", sagt Sprenglochbohrer Alexander Euler, 25. Schon sein Urgroßvater und sein Großvater seien Bergmänner gewesen. "Ich bin durch die Familie reingerutscht. Das ist ein Beruf mit Tradition, er macht mir Spaß." Ablenkung aber gibt es nur selten, Handy oder Radio funktionieren unter Tage nicht. "Wir haben genug zu tun, da braucht niemand etwas zur Unterhaltung", sagt Euler. Er genieße auch die Einsamkeit in der Schicht.

Deutschlands tiefster Arbeitsplatz: 1630 Meter unter dem Meer

Inklusive Fabrik über Tage sind im Werk Werra rund 4400 Menschen beschäftigt, etwa 25 Millionen Tonnen Rohsalz werden hier pro Jahr gefördert. K+S gehört zu den weltweit größten Kaliproduzenten, der Kaliabbau ist die wichtigste Säule des Dax-Konzerns. Doch der Düngemittelmarkt ist erschüttert. Anfang August brach die K+S-Aktie zeitweise um mehr als 40 Prozent auf unter 16 Euro ein. Obwohl sich der Kurs seitdem etwas erholt hat, mahnen Experten zur Vorsicht: K+S könnte zu einem Übernahmekandidaten werden, der Verbleib im Dax ist ungewiss.

Von der Aufregung über Tage ist im Bergwerk nicht viel zu spüren. Es ist ruhig hier unten, im Dunkeln gibt es "Ortsschilder", eine Anschnallpflicht und sogar eine Blitzerkolonne, die die Geschwindigkeit - meist zwischen 30 und 50 Stundenkilometer - kontrolliert und zu schnelles Fahren ahndet. Die Straße besteht aus angefeuchtetem und verdichtetem Salz. Riesige Ventilatoren sorgen für einen ständigen Luftaustausch. Sie ziehen rund 63.000 Kubikmeter Luft pro Minute, das ist so viel, wie in 20 olympische Schwimmbecken passt.

"Unser eigenes Trinkwasser ist gefährdet"

Um das Kali zu gewinnen, muss es aus dem Gestein gelöst werden. Dabei entsteht salzhaltiges Abwasser, das von K+S entweder in die Werra gepumpt oder in den Untergrund gepresst wird - derzeit jeweils rund fünf Millionen Kubikmeter pro Jahr. Das ruft Kritiker auf den Plan, die befürchten, dass die Salzabwassereinleitung in den Fluss nachhaltige Umweltschäden verursachen.

Sprenglochbohrer Euler wohnt unweit der Werra und bekommt den Widerstand mit: "Kali lässt sich ohne Rückstände nun mal nicht herstellen. Aber wir halten die Belastung für die Umwelt in Grenzen. Und die Jobs sind wichtig." Bis 2015 will K+S das Abwasser auf insgesamt sieben Millionen Kubikmeter jährlich reduziert haben.

Das reicht Werner Hartung jedoch nicht. Der Bürgermeister der thüringischen Gemeinde Gerstungen sorgt sich um das Grundwasser. "Unser eigenes Trinkwasser ist gefährdet", sagt er. Er fordert von K+S neue Technologien, um das Abwasseraufkommen zu verringern. Bei fast einer Milliarde Gewinn sei das sicher möglich, meint er. Die Gemeinde hat schon mehrfach gegen die Erlaubnis von Salzabwasserentsorgungen geklagt, allerdings bislang erfolglos.

Im hessischen Städtchen Heringen, nur wenige Kilometer entfernt, sieht man das ganz anders. "K+S ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor, viele sind da beschäftigt", sagt Bürgermeister Hans Ries. Ihm sei die Umweltbelastung bewusst, "aber wir haben auch die wirtschaftliche Existenz im Auge".

Insgesamt plant K+S für die Umweltschutzmaßnahmen Ausgaben von rund 360 Millionen Euro. "Wir prüfen alle Optionen, um die Produktion nicht zu gefährden. Aber null Emissionen sind nicht möglich", sagt ein K+S-Sprecher.

"Es gibt Bedenken, dass wir hier eines Tages wegen der Entsorgungsfrage nicht mehr produzieren dürfen", sorgt sich Lohrbach. Dann ginge es der Werra sicher besser, aber Tausende Arbeitsplätze wären in Gefahr. Zuletzt ist wohl auch die Sorge vor einer Übernahme von K+S dazugekommen, auch in diesem Fall stünden Arbeitsplätze und sogar ganze Bergwerke auf dem Spiel.

Auswuchs über Tage: Das Gebiet des K+S-Werks Werra im hessischen Philippsthal liegt bis zu 1200 Meter unter der Erde, doch auch über Tage ist das Bergwerk an der Förderanlage (im Bild) von Weitem zu erkennen. K+S beschäftigt hier insgesamt 4400 Mitarbeiter. 

Riesenradlader im Rohsalzbunker: Abgebaut wird unter anderem Kalium, neben Stickstoff und Phosphor einer der wichtigsten Nährstoffe zur Düngung von Pflanzen.

Beraubefahrzeug im Einsatz: Der sogeannte Berauber stößt nach der Sprengung lose Gesteinsplatten von der Decke.

Palast aus weißem Gold: K+S-Mitarbeiter Jörg Lohrbach zeigt die Rohsalz-Großbunker im Kaliwerk Werra.

Explosiver Job: Bergmann Alexander Euler bedient den Sprenglochbohrwagen. Damit wird das Salzgestein für die Absprengung vorbereitet.

Wahrzeichen: Das Bergwerk Anthrazit Ibbenbüren ist eines von sechs Bergwerken, die von der RAG Deutsche Steinkohle betrieben werden. Das Fördergerüst ist das typische Merkmal. Darunter befindet sich der Schacht mit dem Förderkorb an einem über tausend Meter langen Stahlseil, das über die sogenannte Seilscheibe geführt wird. Über diesen Weg erreicht Reviersteiger Klaus Lagemann seinen Arbeitsplatz - den tiefsten in Deutschland. 

Wahre Kumpel: Klaus Lagemann (zweiter von links) versteht sich gut mit seinem Team. "Alles, was meine Männer unter Tage machen, habe ich auch schon gemacht", sagt er. "Ich habe das von der Pieke auf gelernt und kenne jeden Handgriff."

Kohlenhobel sind vergleichsweise klein und schnell. Sie fahren mit hoher Geschwindigkeit an der Kohlenwand entlang und schälen mit ihren Stahlmeißeln die Kohle aus dem Flöz.

Endstation: Klaus Lagemann fährt jeden Morgen mit einem Förderkorb 1630 Meter in die Tiefe. Der Korb hat vier Etagen und kann 45 Leute transportieren. Wie ein Aufzug hält er in verschiedenen Stockwerken. Lagemann muss bis zur letzten fahren: Sohle 6.

Mächtige Stahlschilde stützen die Decke. Sobald die Kohle abgebaut ist, rücken sie automatisch nach.

Luftzufuhr: Durch einen speziellen Schacht gelangt Frischluft in die Grube, die verbrauchte Luft wird an einem zweiten Schacht abgesaugt.

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